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Vom Katalogversand zum Pionier der Textautomatisierung – Wie KLiNGEL 50 Millionen mehrsprachige Texte im Monat generiert

Lesezeit 11 mins | 22.11.2022 | Von: Anne Geyer

Multichannel-Distanzhändler KLiNGEL ist ein Pionier in Sachen automatische Textgenerierung. Der Händler betreibt 60 Onlineshops in 12 Ländern und braucht für seine zahlreichen Produkte viele Texte. Inzwischen generiert das mittelständische Familienunternehmen 50 Millionen Texte im Monat. Eine wirklich beeindruckende Zahl! Umso mehr, da das Unternehmen zu Beginn nur 200.000 automatisierte Texte generierte! Im Folgenden erzählen wir dir von KLiNGELs beeindruckender Automatisierungsreise und welche Erfolge sie verzeichnen.

KLiNGEL und die automatische Textgenerierung – wie alles begann

Im Jahr 2016 ging’s los und KLiNGEL startete gemeinsam mit AX Semantics ein Pilotprojekt für die automatisierte Betextung von ausgewählten Produkten. Für die Testphase wählte das Unternehmen zunächst zwei Produktgruppen aus: T-Shirts und Jacken.
Diese Kategorien waren für einen Test ganz besonders geeignet! Denn in der T-Shirts-Kategorie gab es viele Produkte mit wenigen Unterscheidungsmerkmalen, wie Material, Farbe oder Kragenform. Zudem waren die Produktdaten relativ einfach strukturiert. Bei den Jacken sah das anders aus. Hier gab es wenige Produkte mit vielen unterschiedlichen Eigenschaften, wie Reißverschlüsse, Knöpfe, Taschen, Winddichte oder Wassersäule. Die Zusammensetzung der Daten war deutlich komplexer.

POC Klingel
KLiNGELs Projektaufbau für die Textautomatisierung mit AX Semantics im Jahr 2016, Quelle: Jan Sanio, KLiNGEL

Erste Schritte mit der Textautomatisierung

Zunächst analysierte das vierköpfige Automatisierungs-Team von KLiNGEL die von Textern manuell verfassten Produktbeschreibungen. Dabei kristallisierten sich die verwendeten Strukturen, Redewendungen und Produktattribute heraus. Jedoch wiesen die Texte eine sehr hohe Varianz auf. Die beschriebenen Produktmerkmale waren also von Text zu Text verschieden.
Nach dieser ersten Erhebung führte KLiNGEL eine Datenanalyse der Produktattribute durch, die folgende Fragen beantwortete: Welche Produktattribute liegen vor und wurden bereits ins System eingepflegt? Welche Attribute werden für die Produkttexte tatsächlich gebraucht?

Ohne Daten, keine Textautomatisierung

Nach diesen vorbereitenden Schritten startete KLiNGEL die Textautomatisierung. Grundlage hierfür sollten die Bestandstexte und vorhandenen Produktdaten sein. Doch schon bald stellte sich ein erstes Learning ein:

Textautomatisierung steht und fällt mit der Datenqualität!

Jan Sanio, Application Manager bei KLiNGEL

Denn für ein Produktmerkmal gab es in den Produktdaten oft dutzende Varianten. Das Automatisierungs-Team löste das Datenproblem durch die Einführung von Vorgabewerten in vorgefertigten Produktlisten. Dadurch entstand ein entscheidender Vorteil: Der Produktdaten-Einpflegende wählte die Werte nur noch aus, statt sie als Freitext einzugeben. Dadurch entstanden einheitliche und eindeutige Datensätze – und optimierte Produktdaten, die sich für die Textautomatisierung eigneten.

Die 5 Automatisierungs-Challenges von KLiNGEL

Nach der Datenoptimierung entschied sich das KLiNGEL-Team für die komplette Automatisierung aller 22 Produktkategorien. Das war allerdings mit einigen Herausforderungen verbunden:

1. Challenge: Inhalte
Anbindung aller Produktkategorien, Definition der Sätze für die Produktbeschreibungen und Konzeptualisierung der Stories für jede einzelne Produktkategorie.

2. Challenge: Sprachen
Anbindung aller 9 Konzernsprachen und damit die Nutzung des vollen Automatisierungspotenzials.

3. Challenge: Produktdaten
Optimierung der Produktdaten für die Automatisierung.

4. Challenge: interne Prozesse
Anpassung interner Prozesse und Strukturen, um Produktdaten stets zugänglich zu machen und Vollständigkeit der Daten zu garantieren.

5. Challenge: Schnittstellen
Technische und physische Schnittstellen schaffen. Im technischen Sinne wurden Software-Schnittstellen geschaffen, um einen reibungslosen Automatisierungsablauf zu gewährleisten. Im physischen Sinne wurden die Ansprechpartner für die einzelnen Prozessabläufe benannt.

Nach anderthalb Jahren hatte das kleine Automatisierungs-Team Erstaunliches erreicht: Zu jedem Produkt gab es nun einen Produkttext. In Summe generierten sie 750.000 Produkttexte in 9 Sprachen.

ersten Produkttexte von KLiNGEL
Einer der ersten Produkttexte von KLiNGEL, Quelle: Jan Sanio, KLiNGEL

Erfolge durch die Textautomatisierung bei KLiNGEL

Nach diesem Meilenstein stellte das Team den Prozess der Textentstehung um. Statt der manuellen Texterstellung, die die Automatisierung nach sich zog, wurde der Prozess nun auf automatisierte Texte umgestellt und somit jedes Produkt betextet. Denn für jedes Produkt existierte nun ein automatisch generierter Text. KLiNGEL hatte die Textautomatisierung damit vollständig eingeführt. Und schnell zeigten sich positive Effekte.

Stark verkürzte Time-to-Market

Die Time-to-market reduzierte sich enorm! So war es KLiNGEL vor der Automatisierung teilweise nicht möglich, Produkte zeitnah auf den Markt zu bringen, weil die jeweiligen Produkttexte noch nicht vorlagen. Durch die manuelle Produkt-Betextung sah sich KLiNGEL gezwungen, eine Verzögerung der Time-to-Market von bis zu vier Wochen in Kauf zu nehmen. Durch die Textautomatisierung verkürzte sich diese Zeit zu einem Bruchteil: Die Betextung neuer Produkte dauerte nun maximal 24 Stunden.

Kostenreduzierung für Übersetzungen und verbesserte Textqualität

Die automatisiert erstellten Texte waren zudem länger und inhaltsreicher, das heißt, weniger generisch als manuell geschriebene Texte. Die Kosten für die Übersetzungen sanken durch die Automatisierung ebenfalls stark. Denn durch die Automatisierung entstanden die Übersetzungen nun fehlerfrei, wodurch auch Korrekturaufwände wegfielen.

Mehr Zeit für Kreativ-Arbeit

Zudem fokussierten sich die Mitarbeiter der Textproduktion auf andere Aufgaben und ihnen stand mehr Zeit für kreative Arbeiten zur Verfügung. Zum Beispiel mussten Mitarbeiter vor der Automatisierung 70 bis 80 Prozent ihrer Arbeitszeit für die Übersetzung der Texte in alle neun Konzernsprachen aufwenden. Nach der Automatisierung fiel dieser Anteil auf fünf bis zehn Prozent. Dadurch blieb plötzlich mehr Zeit für andere Aufgaben, wie das Optimieren von Newslettern.

KLiNGEL nutzt die automatische Texterstellung auch für Katalog

Nach der Automatisierung der Onlinetexte wagte sich KLiNGEL an ein neues Projekt: Die automatische Textgenerierung für Produktbeschreibungen für den Printkatalog.

Dabei wurden nicht nur alle Beschreibungen des deutschen Printprodukts, sondern auch die Übersetzungen in alle Sprachen des Unternehmens automatisiert. Die Umsetzung war innerhalb weniger Monate abgeschlossen, da viele Prozesse der Automatisierung der Onlinetexte bereits umgesetzt und ausgerollt waren. So entstanden in nur sechs Wochen 300.000 Produkttexte in neun Sprachen.

Durch die Automatisierung sank der Übersetzungsaufwand drastisch – um bis zu 95 Prozent pro Doppelseite.

Kompletter Neustart trotz Erfolgs

Im Jahr 2020 wagte KLiNGEL noch einmal einen Neuanfang und startete einen Rollout neuer Systeme und Prozessabläufe.

Im Folgenden erklären wir kurz, welche drei Punkte KLiNGEL in den vergangenen Jahren geändert hat und welche Erfolge sie dadurch erzielen.

Neuanordnung der Projekte bei KLiNGEL
Neue Projektorganisation, Quelle: Jan Sanio, KLiNGEL

1. Projektorganisation auf AX Semantics transponieren

KLiNGEL stellte die Projektorganisation der automatischen Textgenerierung komplett um. Bis 2020 organisierte das Unternehmen ein Automatisierungsprojekt nach Stories bzw. Kanälen (wie KLiNGEL.de, Amazon, Printkatalog etc.). In diese Stories gruppierten sich die einzelnen Kategorien, wie z.B. Bekleidung oder Schmuck.

Das Problem
Durch das Bespielen verschiedener Kanäle erstellte das Content-Team stets Kopien der einzelnen Kategorien und wendete diese auf alle Kanäle an. Dadurch hatten verschiedene Projekte den gleichen Inhalt. Dies erschwerte auch Textänderungen, wie die Anpassung von Produktmerkmalen.

Die Lösung
KLiNGEL drehte deshalb den Projektaufbau um und teilte die Projekte nicht mehr nach Kanälen, sondern nach Kategorien auf. Insgesamt baute das Automatisierungs-Team nach diesem Prinzip 22 Kategorieprojekte.

Der Effekt
Dadurch setzten Synergieeffekte ein. Das Projektmanagement wurde einfacher, da die Funktionsweise für alle Ausgabekanäle gleich war. Das ermöglichte es dem Team, Änderungen ab sofort zentral vorzunehmen.

Neue Struktur der Datensaetze bei Klingel
Neuorganisation der Datensätze, Quelle: Jan Sanio, KLiNGEL

2. Eindeutige und flache Datensätze

Das Problem

Das Automatisierungs-Team sah sich mit der Herausforderung konfrontiert, in den Produktdaten ausreichend verschiedene Attribute aufzusetzen. Denn ein Datensatz listete alle möglichen Varianten einer Produktgruppe. Eine genaue Auflistung der Produktattribute war so nicht möglich, sondern nur eine grobe Nennung (wie z.B. Leder, statt der genauen Lederart). Dadurch blieben auch die dazugehörigen Produkttexte unscharf.

Die Lösung 

Also organisierte KLiNGEL die Datensätze neu. KLiNGEL verwendet seitdem nicht mehr Datensätze auf Produktebene, sondern auf der SKU-Ebene für die automatische Textgenerierung. Dazu werden Attribute wie Zielort (Online oder Print) und der Kanal definiert.

Der Effekt

Somit ist bereits in den Daten ablesbar, in welchem Kanal der Produkttext am Ende erscheint. Auch das Filtern ist durch die Aufteilung nach Stories einfacher. So bekommt jeder Kanal den dafür bestimmten Text, da der Datensatz genau darauf ausgelegt ist.

zweisprachiger datensatz KLiNGEL
Zweisprachiger Datensatz von KLiNGEL, Quelle: Jan Sanio, KLiNGEL

3. Zweisprachige Datensätze

Wie bereits erwähnt, ist KLiNGEL ein international agierendes Unternehmen.

Das Problem
Doch die Mitarbeiter in den einzelnen Ländern arbeiteten mit unterschiedlichen Datensätzen. Das Automatisierungs-Team setzte es sich deshalb zum Ziel, die Datensätze so aufzusetzen, dass sie als Grundlage für jede Konzernsprache dienen.

Die Lösung
KLiNGEL entschied sich deshalb, jede SKU in zwei Sprachen an AX Semantics auszugeben – mit einem deutschen Attribut und dem entsprechenden Sprachattribut. Die zugrunde liegende Logik der Textgenerierung war somit sprachunabhängig.

Der Effekt
Das wirkte sich zum Beispiel positiv auf den Übersetzungsaufwand aus, der sich nun drastisch reduzierte. Denn die Mitarbeiter in den anderen Ländern übersetzten nur noch die zugrunde liegenden Satzgerüste. Das zog eine einfachere Pflege und Korrektur der Texte nach sich. Da die Satzgerüst-Logik auf die Werte aus dem deutschsprachigen AX-Projekt aufbauten, erfolgten Änderungen zentral für alle Sprachen.

Skalierungseffekte – KLiNGEL generiert 50 Millionen Texte im Monat

KLiNGEL blickt auf eine mehrjährige Automatisierungsreise und verzeichnet seit dem Rollout im Jahr 2020 weiterhin tolle Erfolge, die sich in beeindruckenden Zahlen niederschlagen:

So ist die Masse der generierten Texte enorm! Aktuell produziert KLiNGEL 50 Millionen Texte bzw. Textupdates pro Monat. Textupdates deshalb, weil sich durch das Rollout viele Produktdaten ändern und dadurch neue Texte entstehen.

Eine weitere beeindruckende Zahl: Insgesamt hat das KLiNGEL-Team 95% aller SKUs mit individuellen und spezifischen Texten ausgestattet. Nur noch fünf Prozent der Produkte erhalten einen generischen oder manuell erstellten Text. Das liegt nicht zuletzt an der Beschaffenheit dieser Produkte. Denn nicht immer lohnt sich die automatisierte Texterstellung. Zum Beispiel, wenn Produkttexte nicht skalierbar
sind, wie es zum Beispiel bei sehr nischigen Produkten der Fall ist. Oder wenn es sich um sehr spezielle Produkte handelt, die zudem in einer geringen Anzahl vorliegen.

Statistik KLiNGEL
95% der SKUs von KLiNGEL haben eine automatisch generierte Beschreibung. Quelle: Jan Sanio, KLiNGEL

Ausblick – Das will KLiNGEL noch erreichen

Trotz dieser beeindruckenden Ergebnisse hat KLiNGEL noch weitere Schritte in Sachen Automatisierung geplant und will sich nicht auf den Erfolgen der letzten Jahre ausruhen. Konkret geht es um folgende drei Projekte:

1. Personalisierung der Produkttexte

Um Kunden eine optimale Customer Experience zu bieten, strebt KLiNGEL eine Personalisierung der Produktbeschreibungen an. Da Webseitennutzer mit unterschiedlichem Produktwissen und Motivationen eine Produktseite ansteuern, ist die Erstellung personalisierter Inhalte sinnvoll. Denn die Ansprache individueller Kaufinteressen sorgt für mehr Conversions, also Verkäufe.

2. Lesbarkeit der Onlinetexte verbessern

KLiNGEL plant zudem eine bessere Strukturierung der Online-Texte, um die bisherigen Textblöcke aufzulockern. Dies gelingt z.B. durch die Unterteilung in logische Absätze und das Einfügen von Zwischenüberschriften. Und auch die Erfüllung von SEO-Anforderungen spielt bei der Textoptimierung bald eine größere Rolle. Dies verbessert nicht zuletzt die Customer Experience und somit die Kundenzufriedenheit.

Produktkategorieseiten automatisiert betexten

Nach der Optimierung der Produktdetailseiten setzt KLiNGEL auf die automatisierte Erstellung von Kategorietexten. Diese eignen sich besonders gut, um mehr Sichtbarkeit in Suchmaschinen zu erreichen und so den Traffic durch organische Suche zu erhöhen.

Anne Geyer